An dieser Stelle dokumentiere ich eine spannende Frage sowie meine Antwort darauf, die mir bei abgeordnetenwatch.de gestellt wurde. Zwischenzeitlich ist die Frage samt meines Beitrages gelöscht worden, da der Fragende gegen den Moderationskodex verstoßen hat.
Der Fragesteller, Torben Frank, ist schleswig-holsteinischer Landesvorsitzender der äußerst rechtslastigen, rassistischen und christlich-fundamentalistischen Zentrumspartei.
Die Frage:
Sehr geehrter Herr Karstens,
Ihre Parteifreundin Asja Huberty äußert sich in einer Pressemitteilung des Landesverbandes Ihrer Partei vom 17. Juni 2009 zu Spätabtreibungen äußerst menschenverachtend über ungeborene und geborene Kinder. Es entsteht der Eindruck, als dürften Kinder zum 2. Lebensjahr auch postnatal abgetrieben werden, da sie noch keine Menschen seien. Ihre Parteifreundin Asja Huberty stellt die Karriere der Frau und deren Recht auf freie Entfaltung über das Recht des neuen Menschen auf körperliche Unversehrtheit und Existenz. Ist das nicht unverhältnismäßig?
Laut Statistischem Bundesamt wurden 2008 114.484 Kinder im Mutterleib umgebracht. Nur 2989 der „Abtreibungen“ hatten eine Medizinische Indikation, wobei der Großteil der Opfer nur ermordet wurde, weil sie mutmaßlich krank waren. Entgegen allen Vorurteilen läßt der christliche Glaube die passive Abtreibung durch medizinische Maßnahmen zum Schutz des Lebens der Mutter zu. Der Großteil der Kinder stirbt, weil die Eltern sich zu bequem sind.
Wie stehen Sie zum Recht auf Leben? Sollte die Lebensplanung der Eltern wirklich höher bewertet werden als die Würde des heranreifenden Menschen? Kann es nicht nur Abwägungssache sein, ein Ungeborenes zu töten, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist? Oder stimmen Sie Asja Huberty zu? Auch die Abwertung des Lebensrechtes unserer Mitgeschöpfe in der Pressemitteilung ist erschreckend. Wie stehen Sie zum Tierschutz?
Mit freundlichen Grüßen
T. Frank
Meine Antwort:
Sehr geehrter Herr Frank,
vielen Dank für Ihre Frage.
Einen, wie Sie schreiben, menschenverachtenden Inhalt in der Streitschrift meiner Parteifreundin Asja Huberty zur Novellierung des Spätabtreibungsgesetzes kann ich nicht erkennen. Im Gegenteil: Wer sich die Mühe macht den besagten Text komplett zu lesen erkennt darin einen Appell dafür, sich endlich für die Interessen und Bedürfnisse der lebenden Kinder einzusetzen – statt auf dem Rücken der Mütter und Kinder eine ideologische Debatte zu führen, um der Gesellschaft mittelalterliche Dogmen aufzuzwingen. Interessanterweise sind es ja gerade die Abtreibungsgegner, die sich ebenso gegen den Einsatz von Verhütungsmitteln und sexuelle Aufklärung von Kindern stellen; die probatesten Mittel ungewollte Schwangerschaft zu verhindern. Auch treten gerade diese so genannten „Lebensschützer“ häufig gegen Kindertagesstätten, für die Prügelstrafe in der Erziehung und gar gegen die allgemeine Schulpflicht auf. Inwieweit sich hieraus ein tatsächliches Eintreten für die Interessen der Kinder und Familien ableiten lässt, stellt Frau Huberty völlig zu Recht in Frage.
Ihren Eindruck, in besagtem Artikel würde Kindern bis zum 2. Lebensjahr das Menschsein abgesprochen oder gar „postnatale Abtreibung“ befürwortet, gibt der Text nicht her. Vielmehr wird auf die seit Jahrzehnten wissenschaftlich verifizierte entwicklungspsycholgische Tatsache hingewiesen, dass Kleinkinder ihre Ich-Identität in den ersten drei Lebensjahren ausbilden. Setzt man diese Aussage in Kontext zum restlichen Artikel, so wird ersichtlich, dass hiermit ein Plädoyer dafür verbunden ist, die Unterstützung von Kleinkindern in dieser ersten Lebensphase als gesellschaftspolitische Aufgabe zu definieren – etwa durch den massiven Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten. Die Kritik von Asja Huberty, Kindeswohl auf die bloßen Zahlen der Geburtsstatistik zu reduzieren und dies mit einer Bevorzugung überkommener -und den Kindern nicht notwendigerweise dienlichen- Familienstrukturen („Mutter als Hausfrau“) zu verbinden, teile ich ausdrücklich.
Zu meiner persönlichen Meinung zum Thema Schwangerschaftsabbruch gefragt antworte ich Ihnen wie folgt:
Mit der Geburt entsteht menschliches Leben und ist ab diesem Zeitpunkt zweifellos Träger aller Grundrechte. Vor dem Zeitpunkt der Geburt aber ist ein Fötus oder Embryo untrennbar verbundener Bestandteil eines anderen Lebewesens – nämlich der schwangeren Frau. Da das Recht auf Leben und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (wie alle Menschenrechte) nicht in Widerspruch zu setzten sind sondern einander bedingen, jeder Mensch also das Recht hat über sein Leben und seinen Körper frei zu bestimmen, folgert daraus das unveräußerliche Recht der Frau über das Austragen einer Schwangerschaft selbst zu bestimmen – frei von Zwangsberatungen und Einflussnahme des Gesetzgebers. Aus diesem Grunde trete ich für die ersatzlose Streichung des § 218 StGB und die Verankerung eines Rechtes auf Schwangerschaftsabbruch im Grundgesetz ein.
Um ungewollte Schwangerschaften wirkungsvoll zu verhindern sollten zudem Verhütungsmittel kostenlos verfügbar gemacht und die Sexualaufklärung im schulischen wie bereits im vorschulischen Bereich ausgeweitet werden.
Eine Aussage zum Lebensrecht von Tieren kann ich in dem besagten Text beim besten Willen nicht entdecken. Trotzdem teile ich Ihnen gerne meine Ansichten zum Thema Tierschutz mit:
- Tierschutz sollte als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden,
- Tierversuche -mit streng einzugrenzenden Ausnahmen im humanmedizinischen Bereich- müssen verboten werden,
- die Massentierhaltung muss zugunsten einer artgerechten Haltung von Nutztieren überwunden werden, alle Subventionen für Massentierhaltung sind unverzüglich zu stoppen,
- Tiertransporte müssen strengen Regularien unterworfen und sollten auf regionale Strecken begrenzt werden,
- zudem hege ich große Sympathien für das Ansinnen, große Säugetiere wie etwa Menschenaffen, Wale und Elefanten zum Träger bestimmter den Menschenrechten ähnlicher Fundamentalrechte zu machen; nämlich dem Recht auf Leben, dem Schutz der individuellen Freiheit und dem Verbot von Folter (siehe: www.greatapeproject.org).
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Karstens